Befristete Senkung der Umsatzsteuersätze beschlossen

30. Juni 2020

Am 29.06.2020 hat der Bundestag das Konjunkturpaket, welches offiziell den Namen „Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz)“ trägt, verabschiedet und als Drucksache Nr. 370/20 veröffentlicht[1].

Ein Teil dieses Gesetzes und Gegenstand dieses Artikels ist die befristete Umsatzsteuersenkung: In der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 reduziert sich der Regelsteuersatz von 19% auf 16% und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5%.

In Gesetzen selbst wird grundsätzlich nicht auf Grenzfälle und Auslegungsfragen eingegangen. Um eine einheitliche Anwendung
der Vorschriften sicherzustellen, veröffentlicht das Bundesfinanzministerium ein Begleitschreiben zur Umsatzsteuersenkung. Seit dem Entwurf vom 12.06.2020 (wir berichteten[2]) wurde dieses bisher (Stand 30.06.2020) zweimal überarbeitet und liegt als Entwurf[3] vom 26.06.2020 vor.

Wir gehen davon aus, dass sich das Schreiben inhaltlich nicht mehr ändern wird und veröffentlichen diesen Artikel daher schon heute mit Bezug auf die Entwurfsfassung. Sollten sich Änderungen am Schreiben ergeben, wird dieser Artikel ggf. angepasst und die Änderung entsprechend kommuniziert.

Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich Quellenangaben auf die Textziffern (Tz.) und Randziffern (Rz.) aus dem BMF-Schreiben.

Grundsätzlich: Leistungsdatum entscheidend

Der reduzierte Umsatzsteuersatz gilt für Lieferungen und sonstige Leistungen, die ab dem In-Kraft-Treten (also ab dem 01.07.2020) ausgeführt werden (Rz 2). Im Falle von Teilleistungen sind für die Steuerberechnungen die einzelnen Leistungszeitpunkte entscheidend.
Sollten bereits Umsatzsteuern auf Vorauszahlungen, Vorschüsse etc. für diese Leistungen angefallen sein, ist die Steuerberechnung entsprechend zu berichtigen (Rz. 3). Auch bei „Ist-Versteuerung“ ist für die Höhe der Umsatzsteuer das Leistungsdatum entscheidend, unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuer.

Bestimmung des Leistungsdatums

Grundsätzlich gilt: Das Leistungsdatum ist Pflichtangabe auf der Rechnung (UStG[4] §14 Abs. 4 Nr. 6). Als Vereinfachungsregelung gilt, dass es ausreicht, wenn auf der Rechnung der Kalendermonat der Leistung benannt ist (UStDV[5] § 31 Nr. 4).

Eine Angabe der Kalenderwoche ist allerdings – obwohl auf den ersten Blick granularer als der Kalendermonat – nicht ausreichend, da beispielsweise bei Angabe von „KW 27/2020“ nicht erkennbar ist, ob die Leistung im Juni (19/7% USt) oder im Juli (16/5% USt) ausgeführt wurde.

Im UStAE [6] Abschnitt 14.5 Abs. 16 ist klargestellt, dass in den Fällen, in denen die Rechnung am Leistungstag erstellt wird, eine Angabe wie „Leistungsdatum entspricht Rechnungsdatum“ ausreicht. Gemäß Nr. 4 ist bei sonstigen Leistungen (z.B. Dienstleistung) der Zeitpunkt ihrer Vollendung maßgeblich für das Leistungsdatum.

In der Bauwirtschaft gilt bei Werklieferungen regelmäßig der Zeitpunkt der Übergabe und Abnahme als Leistungsdatum (UStAE Abschnitt 13.2 Abs. 1 Nr. 1), bei Werkleistungen wird dieser häufig mit dem Zeitpunkt der Vollendung zusammenfallen (UStAE Abschnitt 13.2 Abs. 1 Nr. 2).

Sofern Teilleistungen (siehe UStAE Abschnitt 13.4) vereinbart waren, sind ggf. mehrere Leistungszeitpunkte für die einzelnen Teilleistungen zu benennen.

Umgang mit 19%-Anzahlungen auf 16%-Leistungen

Falls bereits 19%-Rechnungen für eine Lieferung oder sonstige Leistung geschrieben wurden, die tatsächlich mit 16% zu besteuern ist – z.B. Vorschüsse, Abschläge, etc. auf Leistungen, die erst im 2. Halbjahr ausgeführt bzw. vollendet werden – müssen diese nicht berichtigt werden, wenn in der Endrechnung die Umsatzsteuer für die gesamte (Teil-)Leistung mit 16% ausgewiesen ist (Rz. 8).

Bitte achten Sie besonders darauf, dass beim Verrechnen der Abschlagszahlungen mit dem Endbetrag die unterschiedlichen
Steuersätze korrekt berücksichtigt werden.

Beispiel 1:
Sie liefern am 03.07.2020 eine Ware an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden im Wert von 20.000,00 € netto. Am 15.06.2020 haben Sie eine Anzahlung in Höhe von 10.000,00 € netto zzgl. 19% USt = 11.900,00 € brutto erhalten. Sie hatten eine Anzahlungsrechnung mit Steuerausweis erstellt.

Endrechnung am 03.07.2020:

Schlussrechnung 20.000,00 € netto + 3.200,00 € USt 16% = 23.200,00 € Rechnungsbetrag
./. Anzahlung 10.000,00 € netto + 1.900,00 € USt 19% = 11.900,00 €
= Restzahlung 10.000,00 € netto + 1.300,00 € USt = 11.300,00 € (Rest-)Zahlbetrag

Der 16%-Umsatz wird bei Ihnen in der Juli-UStVA, Zeile 28 angegeben und der (negative) 19%-Umsatz in der Zeile 26. Ihr Kunde erhält Vorsteuerabzugsberechtigung in Höhe von 1.300,00 €, anzugeben in der Zeile 52.

Beispiel 2:
Sie vollenden am 06.08.2020 eine Dienstleistung an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden zum vereinbarten Pauschalpreis von 10.000,00 € netto, zu zahlen vor Auftragsbeginn. Sie haben die Vorkasse am 22.06.2020 erhalten und – da zu diesem Zeitpunkt das Gesetz noch nicht verabschiedet war – die Vorausrechnung mit 19% USt erstellt (11.900,00 € brutto).

Endrechnung am 06.08.2020:

Schlussrechnung 10.000,00 € netto + 1.600,00 € USt 16% = 11.600,00 € Rechnungsbetrag
./. Vorkasse 10.000,00 € netto + 1.900,00 € USt 19% = 11.900,00 €
= Restzahlung 0,00 netto + -300,00 € USt = -300,00 € (Überzahlung).

Sie müssen Ihrem Kunden die zuviel gezahlte Umsatzsteuer erstatten. Ansonsten funktionieren die Eintragungen in die August-UStVA analog zu Beispiel 1. Ihr Kunde trägt den (negativen) Vorsteuerbetrag in Zeile 52 ein.

Fazit:
Die Konstellation „Abschläge/Vorkasse/etc., gefolgt von Endrechnung“ erfordert keine unmittelbare Korrektur von bereits versandten Rechnungen.

Entscheidend ist aber, dass eine Endrechnung erstellt wird, die – wie Beispiel 2 zeigt – durchaus auch die Rückzahlung von zuviel gezahlter Steuer auslösen kann.

Muss die Umsatzsteuersenkung an den Kunden weitergegeben werden?

Grundsätzlich gilt: Es entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers, dass die Umsatzsteuersenkung an den Kunden durchgereicht wird und somit der Nettopreis unverändert bleibt. Wir empfehlen Ihnen, nicht zuletzt auch im Interesse der Kundenbeziehungspflege, sich an diesem Willen zu orientieren.

Falls Sie mit Ihrem Geschäftspartner einen Bruttopreis vertraglich vereinbart haben, hängt die Antwort auf die Frage, ob Sie weiterreichen müssen, von Ihrer konkreten Vertrags- und Rechtslage ab. (Rz. 13).

Sofern Sie sich mit Ihrem Geschäftspartner auf einen Nettopreis (Beispiel-Formulierung: „zuzüglich jeweils geltender Umsatzsteuer“)
geeinigt haben oder aufgrund von berufsrechtlichen Vorgaben die Nettopreise ermittelt werden (Rz. 14), müssen Sie die Bruttopreissenkung weitergeben.

Falls Sie sich bereits vor dem 01.03.2020 auf einen Preis geeinigt haben, kann Ihr Kunde u.U. einen Ausgleich verlangen (Rz. 15;
UStG § 29), falls Sie die Umsatzsteuersenkung nicht von sich aus weiterreichen.

Gibt es Vereinfachungen für B2B-Umsätze?

Ja, bei Rechnungen an Unternehmer mit Leistungsdatum nach dem 30.06.2020, aber vor dem 01.08.2020 wird es nicht beanstandet, wenn der bisherige Steuersatz ausgewiesen wird und die Rechnung nicht berichtigt wird (Rz. 46).

Der vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger erhält in diesen Fällen Vorsteuerabzug in Höhe des (zu hoch) ausgewiesenen Steuersatzes.

Hierbei wird nicht unterschieden zwischen Vorausrechnung und Rechnungen, die nach Ausführung der Leistung erstellt werden. Somit haben Sie im B2B-Umfeld eine Übergangszeit bis Ende Juli (Leistungsdatum!), um Ihre Rechnungsformulare an den neuen Steuersatz anzupassen.

[1]: https://www.bundesrat.de/bv.html?id=0370-20
[2]: https://dr-jacob-edel.de/aenderung-des-umsatzsteuersatzes/
[3]: https://bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-26-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020-zweite-aktualisierung.html
[4]: https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980
[5]: https://www.gesetze-im-internet.de/ustdv_1980
[6]: https://bundesfinanzministerium.de/ustae